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  • AutorenbildJules Cachecoeur

Auf ein fettes, faules und freies neues Jahr


Wenn man gerade den alljährlichen Wahnsinn des Weihnachtsfestes überstanden hat, hält unsere Kultur ja noch einen letzten Feieranlass in dem alten Jahr parat: Silvester. Während in allen Medien die Legende eines Ritus der guten Vorsätze wachgerufen wird, Lifestylezeitschriften und Healthy Living Blogs schon wieder altbewährte und auf neu getrimmte Diätkonzepte, Alkoholabstinenz- und Nikotinentwöhnungstricks aus den Schubladen gekramt und mit neuen Pics aufgemotzt haben, erscheinen in dieser Jahresendzeitstimmung auch Prophezeiungen neuer Wege aus dem

Singledasein, dem unbefriedigenden Berufs– oder Sexualleben oder Kinderlosigkeit mithilfe von hypnotherapeutischem Coaching. Ein Streifzug durch die Werbebotschaften des Internets macht es dieser Tage zwischen den Tagen möglich, den Zeitgeist unserer Gesellschaft einzufangen. Und irgendwie fällt mir auf, wie wenig ich offensichtlich zur Zielgruppe dieser Angebote zähle. Oder es mir zumindest so zurechtlege. Denn auch ich bin in diesem Jahr des Öfteren wieder in die Selbstoptimierungsfalle getappt und habe es währenddessen nicht einmal mitbekommen. Das nehme ich nun zum Anlass, um mich mit dem Ritual des guten Vorsatzes betraut zu machen: Indem ich es praktiziere. Mit klassischer Selbstoptimierungshandschrift beginnt dieses Unterfangen mit drei vorsätzegenerierenden Fragen an mich selber.

  1. Was hat mich in 2017 am meisten gestört?

Ich muss sagen, als friedfertiger, genügsamer Mensch lebt es sich in einer immernörgelnden Gesellschaft doch recht schwer. Von allen Seiten kommen einem Satzfetzen des Dystopischen entgegen, man schwebt mit seiner Zufriedenheit leicht wie eine Feder durch die Gegend , während die anderen maulen und man kommt sich doch etwas weltfremd vor.

Quelle: giphy.com


„Willst du nicht manchmal etwas schöner, schlanker oder erfolgreicher sein?“, fragen die einen, die nicht glauben, dass ich dankbar bin darüber, aufgrund meiner kleinen Brüste nicht ständig einen BH tragen zu müssen und meine Narbe an meiner Schläfe vom diesjährigen Fahrradsturz als Indiz dafür erachte, noch am Leben zu sein. Und seit ich weiß, dass man männliche Beziehungspartner mit großem Altersunterschied zu einem selber meistens aus einer beruflichen in eine persönliche Krise begleitet, anstatt als ebenbürtige Partnerin betrachtet zu werden, finde ich es irgendwie cool, dass N. in der gleichen Welt lebt, kein eigenes Auto hat und “noch” studiert.

Titanic (USA 1997) | Quelle: giphy.com


Schlussendlich kann ich dieser Frage folgende Antwort zuordnen: Am meisten gestört hat mich in 2017 der überpräsente Pessimismus vieler Mitmenschen, die ihre eigene Unzufriedenheit mit ihrem Leben, ihrem Körper, ihrer Beziehung, ihrem Job (etc.) in Fragen und Vorwürfe an andere verpacken, um diese loszuwerden. Folglich ist einer meiner Vorsätze für 2018: Ich höre nicht hin. Stattdessen schwebe ich weiter fedrig oben auf. Und stehe dazu, mein Leben zu mögen, wie es ist. #bodypositive

  1. Welche Maßnahmen kann ich in 2018 ergreifen, dass sich diese Dinge nicht wiederholen?

Gute Frage. Ich kann die anderen ja so gut darin verstehen: Wenn Unzufriedenheit und Pessimismus zeitgleich vorliegen, handelt es sich um ein garstiges Unterfangen. Es erscheint, als ob man ständig Anlauf nimmt, aber immer wieder gegen das Sprungbett rennt. Da werden dunkle Erinnerungen an den Sportunterricht in der Grundschule wach. Und ist erst einmal ein bestimmter Punkt erreicht, macht man schnell die Biege und kehrt in sein altbewährtes, gemütliches Komfortzönchen zurück. Schließlich tut hier keine*r einem* weh. Was ich tun kann, dass ich mich nicht wieder zu viel der schlechten Laune der anderen annehme? Ich müsste ein Fläschchen mehr von diesem guten und gesunden Sirup namens Egoismus trinken. Meistens steht das nämlich unangebrochen im Schrank.

Quelle: giphy.com


Tatsächlich aber habe ich Menschen, die mich ständig daran erinnern und motivieren, es anzurühren. N. zum Beispiel. Und er ist es auch, der mir den Spiegel vor Augen hält, wenn ich einmal wieder an mir als Mensch und an meinen Fähigkeiten zweifle. Die Ableitung aus dieser einsichtigen Antwort auf die zweite Frage ist, sich noch mehr ins Getümmel zu stürzen und dabei nicht zu vergessen, wer man selber ist: Ein gutmütiger, empathischer Mensch mit einigen wertvollen Fähigkeiten. Nur so habe ich Aussicht darauf, weiterzuwachsen.

  1. Wo will ich Ende 2018 stehen?

Ja, clevere Arschtritt-Frage am Ende. Ich weiß, dass ich am Ende des nächsten Jahres weiser und vor allem selbst-bewusster und -sicherer sein möchte. All die schöneren, schlankeren, tolleren und erfolgreicheren Menschen existieren nur, weil ich diese begutachtende Perspektive auf sie einnehme. Die Devise lautet: Wir scheißen auf gesellschaftliche Normative.

Quelle: giphy.com


Ich weiß nicht, ob der Vorrat an gutem Sirup in meinem Schrank dafür ausreicht, um das zu realisieren, aber ich bin sehr dankbar und froh über all die wundervollen Begleiter*innen, die mich dabei unterstützen werden. Liebe Herzmenschen, ich danke euch so sehr für eure offenen Ohren, eure Ratschläge, eure Gedanken, die tollen Gespräche und Erlebnisse. Ich wünsche mir in 2018 – einem energetischen und tollen neuen Jahr – wieder viele schöne Momente mit euch erleben zu dürfen!

So unsexy erscheint mir dieser Vorsätzequatsch am Ende gar nicht. Aus soziologischer Betrachtung hat das alles ja auch seinen Sinn und Zweck: Man* resümiert das Jahr, schenkt dem ein und anderen Erlebten Aufmerksamkeit und Dankbarkeit und erzählt sich letztlich eine kleine Geschichte aus dem eigenen Leben. Deshalb halte ich das insbesondere für die Psychohygiene gar nicht mal für eine so unkluge Praktik. Probiert es mal selber aus und stellt euch die drei vorsatzgenerierenden Fragen.

Quelle: giphy.com


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