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  • AutorenbildJules Cachecoeur

EIN MANN UND EINE FRAU AUS PAPIER.

Ein Mann und eine Frau, zur gleichen Zeit am gleichen Ort. Das Universum zieht sich zusammen, faltet sich für einen Augenblick und wir schweben, wir schweben, nicht auf Wolken, wir könn‘ das so.

Ich hätte niemals gedacht so etwas nochmal zu erleben und letzten Endes zu verkraften, zu verschmerzen, vergessen.

Die Liebe ist wie Regen; sie prasselt auf uns alle nieder und manchmal überschwemmt sie uns. Nur mich, mich trifft sie nicht, sie lässt mich trocken, unberührt. Meine Haut ist rau von zu viel Polyester in der Kleidung.

Der Mann und die Frau, sie sahen so aus wie du – blond, grünäugig, Hände, die feine Dinge erfühlen können; beißt sich genauso nachdenklich auf die Lippen, wie du. – und ich, flattrig, klein, ängstlich, pinker Nagellack und viel zu viel Gefühl.

Das Universum scheint uns verschluckt zu haben. Unsere Zeit  zusammen erscheint mir wie eine Erfindung. Ja, ich habe dich mit mir, unser Wir, erfunden, du bist mein Hirngespinst. Deine Schritte auf dem Parkett in deiner Wohnung, dein Flüstern in meinem Ohr, deine kalten Bettlaken, die sich erst mit unserer Körperwärme aufladen mussten, um uns das Gefühl von Geborgenheit, von Wohlbefinden zu geben. Sie haben uns belogen. Das sind alles Erfindungen meines kranken Hirns.

Ich gehe in das Café, in dem wir saßen, als wir uns das letzte Mal sahen und ich möchte hier eine neue Erinnerung hinterlassen, damit ich nicht immerzu an unsere letzte Begegnung denken muss, wenn ich hier erneut sein werde. Das ist so wie Staub wischen. Ich möchte nicht ersticken an meinen Erinnerungen. Ich möchte dich loswerden, du Hirngespinst. Es fällt mir leicht in einer anderen Stadt. Und doch suche ich deinen Gang unter den eigenartigen Gehweisen der Menschen im Getümmel. Ich suche deinen Duft, obwohl ich schon vergessen habe, wie er war. Vermutlich erkenne ich ihn just in dem Moment, in dem ich ihn vernehme. Aber das werde ich ja niemals mehr. Ich habe diesen Duft noch nie zuvor gerochen. Denn es gab ihn nie, ich habe ihn mir eingebildet, es war Fiktion.

Wir sahen aus wie aus einem Magazin ausgeschnitten und auf einen blanken Untergrund geklebt. Ein hübsches Schablonenpaar, zu schön um wahr zu sein. Ich erinnere mich an diese zwei Papiergestalten, die offensichtlich nur in 2D zusammengehörten. Eine Scherenschnittliebe. Erinnere mich an den Mann und die Frau, die wir waren, auch nur für Wochen, Tage, Minuten. Ich habe mir verboten Sekunden zuviel beizumessen. Besser ist es, ich halte dich für eine Erfindung meiner Fantasie. Deine Falte im Nacken, eine Stelle, die ich an dir gesucht habe; die dich zu etwas Besonderem macht. Ich weiß noch, wie ich einfach an deiner Wange, deinem Hals in Höhe der Falte riechen wollte und mich nicht traute dich zu fragen, ob du etwas dagegen hättest. Das Universum war wider meine Skepsis zusammengeschrumpft und es gab in diesem Augenblick, in dieser Nacht, in dieser Bar nur uns, uns und den Regen.

Ein Mann und eine Frau, nicht mehr als schwebende Elemente, Papierfiguren, in der allesmöglichen Luftleere. Wir sind eine Erfindung, eine aufgezeichnete Idee, nun zusammengeknüllt im Papierkorb. Uns hat es nie gegeben. An diesem Ort, zu dieser Zeit.

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