FEMINISMUSHATER.
- Jules Cachecoeur
- 13. Sept. 2016
- 4 Min. Lesezeit
Feminismus. Feminismus. Feminismus. Buhhhh.
Na, hast du Angst? Bist du genervt? Oder musst du bei dem Wort brechen? Denkst du an BH-verbrennende unrasierte männermeidende Alt-68er-Frauen, die wie Godzilla überlebensgroß die Städte entern und mit ihren Laserstrahlaugen gelbe Hassblitze hinunter auf die patriarchale Welt prasseln lassen? Oder an Jutebeutel-tragende Hipster-Girlies mit zutätowierten Armen und Undercuthaarschnitt, die sich ständig mit ihren Freund*innen über alte Folgen der Gilmore Girls unterhalten und über genderkorrekte Schreibweisen und die Einzigartigkeit ihres Feminismus streiten? Naja, an der Stelle, wo viele andere stehen bleiben, legen die meisten Feminist*innen wenigstens eine rege Diskussionskultur an den Tag. Denn reden, Diskurs, ja das ist ja bekanntlich ein grundlegendes Merkmal eines demokratischen Systems. Auch, wenn reden manchmal anstrengend ist, der Mensch meint, seine Befähigung hierzu unterscheide ihn vom Tier.

Quelle: giphy.com
Ich sitze mit friedfertigen Menschen draußen vor der Bar, trinke einen Apple-Cider und berichte in einer ruhigen Minute über die Dinge, die ich vor dem Wochenende noch erledigen möchte. Es ist eher ein lautes Denken, als dass ich auf ein Feedback warte. Unter anderem mag ich bis Freitagabend noch den Text für dieses neue feministische Online-Magazin fertiggestellt haben, eine subtile Filmrezension von „The Lobster“. Gedacht, laut ausgesprochen und plötzlich hagelt es Hassblicke von links. Nein, nicht von einer übergroßen Godzilla-Alice-Schwarzer, sondern von einem Menschen in dieser friedfertigen Runde. Er scheint offensichtlich eine allergische Reaktion beim Wort „Feminismus“ erlitten zu haben, jedenfalls scheint etwas plötzlich in ihm zu pulsieren, er ist kurz davor sich zu echauffieren, seine rauen Lippen zucken und setzen an zum Verbalgewitter. „Altaaa, warum schreibst’n du für’n feministisches Magazin?“, lautet seine Frage und es ist das erste Mal, dass wir überhaupt miteinander sprechen in diesem Leben. Meine Antwort: „Ja, wieso’n nicht?“ Na, weil es offensichtlich echt nicht chic, sondern eigentlich ziemlich unsexy ist, sich in Gesellschaft über so ein Vorhaben zu äußern, scheinbar ist es so, als würde ich meine schriftstellerische Freiheit für ein mehr oder minder seriöses Label aufgeben. Ich bin überrascht über derlei Szenerie, die sich an diesem ruhigen Tagesausklang ereignet. Bis vor kurzem wunderte ich mich noch über die Offenheit, mit der ich an diesem Abend in diese Gruppe aufgenommen wurde. Und nun nehme ich eine dumpfe negative Gammastrahlung von links wahr, die sich wie eine knötterige Minirauchwolke auf meine Stimmung legt. Das war kein Gesprächsangebot. Es war einfach Bock auf haten.
Ohne voneinander überhaupt den Namen zu wissen zieht der Mann sich nun etwas impulsiv an diesem Begriff hoch. Dass Frauen bitteschön doch ihre traditionellen Rollen einnehmen sollten und überhaupt diese Gleichstellungsgeschichte sei eine Farce, immer mehr Männer seien benachteiligt und so weiter. Ich fühle mich überrumpelt. Was habe ich als Mensch diesem Menschen getan, dass er so reagiert? Ich habe ihn weder direkt angesprochen, noch habe ich irgendeine inhaltliche Beschreibung meines Vorhabens des Beitrages in einem feministischen Magazin vorgenommen und doch scheint er genau zu wissen, wer oder was ich für eine Art Mensch bin. Zumindest habe ich das starke Gefühl, bei ihm nun in Ungnade gestoßen zu sein, nur weil ich dieses klitzikleine F-Wort in den Mund genommen habe. Und da soll noch einmal jemand* behaupten, Sprache sei nicht eng mit Macht verwoben. Da ich nicht viel mit Macht anfangen kann und zugegebenermaßen etwas zu viel Gedankengut auf verbale Weise ins Blaue geschossen habe, ringe ich erst einmal nach Luft, um mich zu sammeln. Der gute Mann sei diese elendigen Diskussionen satt, er sehe keinen Sinn darin. Ich frage mich, ob es sich hier um die bekannte Blindheit der Unbetroffenen handelt oder ob er einfach mal eine schlechte Erfahrung in seinem Leben mit einer*m Vertreter*in des Feminismus (von dem es nun einmal eben nicht den einen gibt) gemacht hat. Das tut mir in erster Linie leid. Aber so, wie das Weiße seiner Augäpfel und sein Kopf rot anschwellen, bestürzt es mich eher. Es gibt Versuche die Situation zu schlichten, weil ich offensichtlich plötzlich Partizipantin einer Streitigkeit geworden bin. Zumindest scheint es für Außenstehende so zu wirken. Die ruhige Stimme eines Mannes von rechts flüstert mir ins Ohr, ich solle ganz ruhig bleiben, dabei stelle ich dem Garst bloß ein paar Fragen, um seine Reaktion besser verstehen zu können. Doch dieser macht dicht, verwehrt mir jeden noch so respektzollenden Blick; seine Augen flüchten vor meinen, die ihn versuchen zu erreichen. Lange Leitung. Der Mann möchte jetzt nichts Zwischenmenschliches, sondern einfach seiner Wut zu diesem Thema Luft machen. Auch okay, aber ich frage mich, was ich damit zu tun habe.

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Mir sind zwei Dinge aufgefallen, die mir immer mal wieder begegnen, wenn ich mich in der Öffentlichkeit als Feministin positioniere, um dem Kind einen Namen zu geben und um möglicherweise den einen oder anderen Menschen herauszufordern. Zum einen sind klare Kategorien für Menschen zwar orientierungsstiftend, aber manchmal auch zu eindeutig, dadurch dass der F-Begriff so polarisierend wirkt und immer noch veraltetes Gedankengut damit verknüpft wird (Stichwort Godzilla-Schwarzer). Für den Herrn in dieser abendlichen Runde wirkte die F-Kategorie wie eine Alltagsheuristik, mit denen er negative Dinge assoziiert. Er reduziert Feminismus als Label auf die altbekannten und stets medial hochgekochten Eigenschaften. Dass Feminismus gleichzusetzen sei mit Männerhass, dass Feminismen die Gleichschaltung der Geschlechter plane wie eine Art verschwörerischer kommunistischer Feldzug. Ich sehe mich nicht in der Position dem guten Herrn zu erklären, wie vielseitig Feminismus ist und dass er heutzutage für jede*n eine andere Bedeutung haben kann. Feminismus ist individualisiert, auch wenn selbstverständlich gewisse Grundwerte wie die Überzeugung sich gegen jegliche Form von Diskriminierung, Sexismus und Unterdrückung aufzulehnen. Ist es dieses politische Moment, das den Mann juckt? Er hat zum anderen nämlich offenkundig ein Problem mit dem An- und Aussprechen bestimmter sozialer Tatsachen, die unter der blanken Oberfläche des Alltäglichen schwelen. Meines Erachtens nach, und da komme ich mit meinem Label, vertritt er mit seiner Reaktionskultur einen großen Teil der Gesellschaft, vielleicht jener, der Sachen hinnimmt, wie sie sind, anstatt die demokratischen Partizipationsmöglichkeiten als Bürger*in dieser westlichen, geordneten Wohlstandswelt wahrzunehmen. Quintessenz des Abends: Unglückliche Konstellation zweier sehr unterschiedlicher menschlicher Wesen. Wir beide wollen – zumindest in dem Moment – etwas anderes und sprechen komplett aneinander vorbei. Nicht schlimm, aber vielleicht doch tragisch, denn die Stimmung ist infolgedessen eher durchwachsen und ich bekomme diesen penetranten Kloß nur sehr schwer aus meinem Hals, der sich danach gebildet hatte.
Zu Hause streife ich mein feministisches Godzilla-tum ab und stelle jegliche Gerüste sozialer Kategorien an den Rand meines Ichseins. In meinen geschützten vier Wänden mit meinen mir nahen Menschen bin ich weder ein Godzilla, noch ein Gutmensch oder eine Provokateurin, sondern ich bin in erster Linie ich.
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